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Die Geschichte meiner ersten Indian,

 beginnt eigentlich schon ca. 1950. Der Krieg war seit fünf Jahren vorbei, die tiefsten Wunden, zumindest in unserer Familie, längst verheilt. Mein Großvater (den ich leider nie kennen lernte, da er drei Jahre vor meiner Geburt starb) war früh aus dem Krieg zurückgekommen, fand bald Arbeit und die Sparsamkeit meiner Großmutter ermöglichte es ihm, ein Motorrad anzuschaffen. Wohl eher zufällig und wegen des relativ großen Platzangebotes wurde es ein gebrauchtes Beiwagengespann, welches nach dem Kauf von meinem Großvater zerlegt, überholt und neu lackiert wurde. Danach diente das Motorrad als tägliches Fortbewegungsmittel und zu kleinen Reisen innerhalb Österreichs. Mein Vater, damals 10 Jahre alt, weiß noch heute von Reifenpannen (im Besonderen am Hinterrad der Maschine), Problemen mit den Kohlen des Zündverteilers und von Vergasereinstellfahrten, die vorzüglich in den frühen Abendstunden stattfanden da die Maschine dann runder lief, zu berichten.

         

So vergingen die 50er Jahre, die Zeit blieb nicht stehen. Das Auto war weiter am Vormarsch und mein Vater hatte selbst oft genug erlebt, wie es war wenn man bei einer Ausfahrt in den Regen kam. Seine Bereitschaft das Motorrad zu übernehmen ging gegen Null. Als dann auch noch die Reifen der Maschine bis zur Karkasse durchgefahren waren und Ersatz, durch ungewöhnliche Dimension, nur zu exorbitanten Preisen als Importware zu haben war, waren die Tage des Gespanns gezählt. Für 600 Schilling (heute 44 Euro) wurde das Motorrad Anfang der 60er Jahre an einen Altwarenhändler verkauft. Zugegeben, damals war das eine Menge Geld............

 

Jahrzehnte später, ich war ungefähr zwölf Jahre alt, stand mein Vater das erste Mal mit diesem Foto vor mir. Stolz erzählte er mir von einem Motorrad, einer „Indian“, der Großvater, hätte sie besessen, mit Beiwagen.......... Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen, obwohl ich das Foto sehr nett fand, speziell weil der kleine Bub im Boot (mein Vater) so tat als würde sich die Maschine rasend schnell bewegen. Naja, mein Vater versuchte auch in den nächsten Jahren, mich für dieses Foto zu interessieren. Jedes Mal ohne großen Erfolg.

 

Die Dinge änderten sich erst, als ich durch die Begeisterung und den Besitz von einem 1965er VW Sambabus mit 17 Jahren von der „Oldtimerkrankheit“ befallen wurde. Nach einem Besuch auf der Oldtimermesse in Tulln bei Wien, auf der ich ein violettes Chief Gespann gesehen hatte, um das alle ganz ehrfürchtig herumgetänzelt waren, führte mein erster Weg zu meinem Vater. „Wo hast du das Foto von dem Motorrad, wie hieß das nochmal.....???“ Schnell wurde mir klar, warum mein Vater in den letzten Jahren immer so leuchtende Augen beim Betrachten des Fotos bekommen hatte. Auch ihm war in der Zwischenzeit klar geworden, dass das Motorrad von damals etwas Besonderes gewesen sein musste.. Plötzlich waren da tausend Fragen, auf die meisten hatten wir keine Antworten. Außer der Marke „Indian“ und den 600ccm Hubraum wussten wir gar nichts. Mein Vater gab mir außerdem zu verstehen, dass es keinerlei Literatur über diese „Indians“ gäbe....... Das forderte mich heraus. Einige Wochen später ging ich mit einem sündhaft teuren amerikanischen Magazin namens „Indian Motorcycle Illustrated“, Ausgabe Sept.95 nach Hause und präsentierte meinem Vater stolz den Fund. Der unglaubliche Zufall war, dass das Motorrad, abgebildet ab Seite 16, unserem zum Verwechseln ähnlich sah. Es war eine 1931er 101 Scout. Die nächsten Jahre brachten weitere Ausgaben des amerikanischen Magazins im Abo bis zur leider letzten Ausgabe 1997, einige Bücher und immer detailliertere Informationen über die Scout. Bald wussten wir, dass die Motorversion des Großvaters 37ci hatte, es eine häufigere 45ci Variante gab und kannten auch sonst die meisten Besonderheiten dieses Typs.

 

Endlich im Besitz eines Führerscheins setzte ich mich mit 19 in meinen Käfer und fuhr zu Christian Timmermann nach Potsdamm. Nachdem ich seine unrestaurierte `31 Scout gesehen und unter anderem eine `38 Chief gehört hatte, war klar: Irgendwann werde ich eine `31 101 mein Eigen nennen. Gelegentliche Blicke ins, damals noch relativ bescheidene, Internet holten mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Für restaurierte Modelle wollte man 23000USD, für Leichen und mehr oder weniger gefüllte Wäschekörbe immer noch happige 10000USD.

 

Dann vergingen einige Jahre, ohne Fortschritte eine 1931er Scout zu finden. Meine Militärzeit in Österreich und auf den Golanhöhen, Ausbildung bei einer großen deutschen Fluglinie und danach 2 Jahre Wohnungsrenovierung. Als ich mich dann wieder auf „Fährtensuche“ machte, stellte ich fest das Christian Timmermann sein Wigwam geschlossen hatte. Man konnte mir nur mehr mit der Telefonnummer von Florian Gsottbauer, dem „Indian – Spezialisten aus Österreich“(o.Z.) weiterhelfen. Diesen rief ich an und einige Tage später saß man mit Getränk und Fotodokumentation im Biergarten. Da ich nicht bei einem Händler kaufen wollte und er die besseren Kontakte hatte, bat ich ihn mich zu informieren wenn eine `31 Scout privat zum Verkauf stehen würde. Einige Tage später erzählte er mir von einer passenden Scout die er kaufen wollte um sie unter Umständen weiterzuverkaufen. Weil ich ihm nicht mit ständigen Nachfragen auf die Nerven gehen wollte, rief ich erst vier Wochen später wieder an. Dann die Ernüchterung: Warum ich mich nicht gemeldet hätte, das Motorrad wäre längst verkauft! Der zweite Versuch führte uns beide mit dem Flugzeug nach Schweden. Dort wurde eine Scout in Teilen angeboten. Da viel zu wenige Teile, für vielzuviel Geld vor Ort waren, lies ich auch diese Gelegenheit aus.

 

Als mir Florian Gsottbauer, gerade vom Indian Treffen aus Dänemark zurückgekommen, von einer restaurierten Scout erzählte die zu verkaufen war, winkte ich, in Erwartung eines hohen Preises, fast schon ab. Trotzdem stellte ich Kontakt mit dem Verkäufer her und hatte bald Fotos.

         

         

Der Preis war.....sagen wir....interessant. Erste „Finanzierungsgespräche“ mit meiner damaligen Freundin (und heute Frau) Dorit bewirkten nur ablehnendes Kopfschütteln. Bald zeigte aber auch Sie Verständnis, später sogar Begeisterung. Auch mein Vater beteiligte sich in größerem Umfang an der Finanzierung, die letztendlich gesichert war. Florian hatte das Motorrad auf dem Treffen gesehen, auf sein Urteil konnte ich mich verlassen. In diesen Tagen gingen die Emotionen hoch. So kurz vor dem erhofften Ziel, nicht wissend ob da noch andere Interessenten waren die in letzter Minute den Kauf vereiteln würden. Die Organisation des Transports nach Österreich, die Zollformalitäten, das trotz Allem schlechte Gefühl das Motorrad „ungesehen“ zu kaufen. Nach weiteren Fotos, die die Restaurationsarbeiten dokumentierten und regem E-Mail- und Telefonkontakt mit dem Verkäufer der die Maschine eigentlich nur verkaufte um eine Chief anschaffen zu können, kaufte ich die Scout. Der Zustand der Maschine war einfach zu überzeugend. Trotzdem hatte ich ein extrem laues Gefühl im Magen, das sich erst besserte, als die Fahrzeugpapiere und der Kaufvertrag mit der Post ankamen. Eine Woche, einer Zickzacklinie durch Europa (800 unnötige Kilometer) und einer logistischen Meisterleistung der Spedition (...) später, stand die Scout dann endlich bei uns im Hof. Sie war noch schöner, noch perfekter „original restauriert“ als von Jan Nybo dem Verkäufer und Restaurator der Scout angekündigt. Optisch, der berühmte Zustand: „besser als neu“. Als dann auch noch der Zoll seinen Segen gegeben hatte, überfiel mich pure Euphorie die bis Heute anhält.

 

Acht Jahre Suche hatten ihr Ende gefunden. Die Indian war exakt in dem Jahr zu uns zurückgekehrt indem mein Großvater seinen 101. Geburtstag gefeiert hätte. Wenn das kein gutes Omen ist!

Und als die Scout dann zum ersten Mal gelaufen ist, wussten mein Vater und ich, das mein Großvater ganz in der Nähe war.

 

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